Die interviews :
- "Unser Weg hat uns vieles gelehrt", Badische Zeitung, 12.07.2009
- "Des
hommes debout" : Jean-Claude Acquaviva und Danyel
Waro pour Mondomix
(novembre
2008)
- Benjamin Minimum für Mondomix (28
août 2008)
- Tra Noi/L'Invitu - U Carubbu 12
juin 2008
- Corsica mai 2008
- Corse Matin 2 février 2008
- L'Invitu - U Carubbu 19
septembre 2006
Ähnlich
wie vor zwei Jahren Bobby McFerrin, ist 2009 die korsische Vokalgruppe
"A Filetta" als "Artist in Residence" zum "Stimmen"-Festival
eingeladen. Innerhalb einer Woche treten die sieben Männer in drei
völlig unterschiedlichen Projekten auf. Annette Mahro hat den Leiter
des Ensembles in Lörrach getroffen.
BZ:
Jean-Claude Acquaviva, es heißt "A Filetta", das sind Sie. Sie haben
die Gruppe aber nicht gegründet…
Acquaviva:
Nein, ich bin tatsächlich erst einen Monat nach der Gründung 1978 dazu
gekommen, ich war damals 13. Heute bin ich der Komponist und oft auch
das Sprachrohr, selbst innerhalb der Aufführungen. Das hat aber nichts
damit zu tun, dass ich der Einzige wäre, der das könnte oder wollte. Es
ist nur (lacht) für die anderen einfacher, sagen wir bequemer. Jeder
greift aber in die Entscheidungen ein, jeder gibt seine Anregungen und
Ideen, das ist sehr wichtig für uns
BZ: Zum
"Stimmen"-Festival kommen sie nicht alleine. Dem Auftakt mit Sidi Larbi
Cherkaoui folgt heute die Burghof-Eigenproduktion "Pessoassion", eine
Auseinandersetzung mit der Literatur Fernando Pessoas. Wie ist es dazu
gekommen?
Acquaviva:
Das war Helmut Bürgels Idee, der schon einige Male bei dem
Polyphonie-Festival in Calvi war, das wir jedes Jahr organisieren. Für
uns ist es ja auch schon der dritte Besuch in Lörrach. Pessoa hat er
eingebracht ebenso wie die Musikerin Joana Aderi, den Schauspieler
Peter Schröder, den Fotografen Torsten Warmuth und natürlich Marion
Schmidt-Kumke, die alles in Szene setzt und mit der wir auch auf
Korsika zusammengearbeitet haben. Obwohl aber alles schon vollständig
festgezurrt ist, bleibt der Auftritt ein lebendiges Abenteuer.
BZ: Marion Schmidt-Kumkes Anspruch
war dabei, "Pessoa ein Gesicht zu
geben". Bei Bildern oder Filmen geht das sehr gut, aber in der
Literatur?
Acquaviva: Das geht gerade bei Pessoa sehr gut, bei dem man, sagen wir,
mit den musikalischen Farben spielen kann, die in seinem Werk sehr
ausgeprägt sind. Seine extrem komplexe, vielfältige Persönlichkeit
können wir so sehr gut wiedergeben oder auch den Wechsel von einer
Person zur anderen. Ich glaube, dass das musikalisch gerade über den
Weg unserer Polyphonie sehr gut geht. Noch besser wird es zusammen mit
Joana Aderi, die Pessoa elektronisch weiter in Teile aufteilt. Ich
denke, dass das dem Autor sehr gerecht wird, der ja alles andere ist,
nur eben nicht monophon, nicht einstimmig.
BZ: Anders als Ihre "Pessoassion"-Begleiter kennen Sie Danyel Waro von
der Insel La Réunion, mit dem zusammen Sie am Samstag in den
Rosenfelspark kommen, schon länger.
Acquaviva: Ja, wir sind ihm 2003 zum ersten Mal begegnet. Er ist ein
charismatischer Sänger, den wir sehr schätzen und mit dem wir direkt
etwas zusammen machen wollten. 2008 gab es dann eine Begegnung zwischen
unserer korsischen Polyphonie und der Maloya-Musik, die Danyel Waro
singt. Das Ergebnis war etwas sehr Erstaunliches. Maloya ist sehr
pulsierend und auch trancehaft. Wir haben da unsere Vielstimmigkeit
eingebracht, unsere Harmonien. Was Waro macht, ist das Gegenteil. Zwar
gibt es auch bei ihm gelegentlich Wechselgesänge, etwa mit einem Chor.
Aber dem steht nur eine Stimme in einer getrennten Linie gegenüber. Wir
"polyphonieren" sie sozusagen.
BZ: Sie sind beim Festival als "Artist in Residence" angekündigt. Was
bedeutet das für Sie?
Acquaviva: Ganz praktisch kommen wir ja mit drei völlig
unterschiedlichen Arbeiten nach Lörrach. Das macht aber auch unseren
künstlerischen Prozess in den 30 Jahren unseres Bestehens sichtbar. Das
heißt, es geht um Tradition und um unsere Wurzeln, aber insbesondere um
die Entwicklung. Gerade sie ergibt aber ja nur einen Sinn, wenn wir uns
auch mit anderen Künstlern und mit dem Publikum austauschen. Unser
bisheriger musikalischer Weg hat uns vieles gelehrt, vor allem aber,
dass es immer sehr viel wichtiger ist, das sein zu wollen, was man
verteidigt, als um jeden Preis verteidigen zu wollen, was man ist. Wenn
wir uns also als Teil einer mächtigen Tradition begreifen wollen, dann
müssen wir vor allem nach deren Sinn in einer globalisierten Welt
fragen. Beim "Artist in Residence" bei einem internationalen Festival
wie "Stimmen" geht es meiner Meinung nach letztendlich genau um die um
dieses Signal: Teil des Ganzen zu sein.
– "Pessoassion", eine Hommage an Fernando Pessoa mit A Filetta, Joana
Aderi und Peter Schröder, heute, Mittwoch, 15. Juli, 20. 30 Uhr Burghof
Lörrach.
– A Filetta und Danyel Waro, Samstag, 18. Juli, 20 Uhr, Rosenfelspark
in Lörrach
28.08.2008
Jean-Claude Acquaviva und A Filetta feiern dieses Jahr 30 Jahre einer beispielhaften Karriere und 20 Jahre Rencontres Polyphoniques in Calvi vom 9. bis 13. September. Ihre Sicht der Welt ist voller Schärfe.
Wie ist die kulturelle Situation auf Korsika heute?
Man kann sagen, daß sich Korsika in einer etwas paradoxen Situation befindet. Es wurden erhebliche Anstrengungen in vielen Bereichen unternommen (Literatur, Musik, Theater, Film, bildende Kunst etc. ...), mit allen irgendwie verfügbaren Mitteln, und das führte zu einer phänomenalen Produktion angesichts der geringen Bevölkerungszahl der Insel. Deswegen registriert man keine große Zunahme beim Besuch der Veranstaltungen. Man muss sagen, dass das Fehlen von Infrastruktur uns die Aufgabe nicht gerade erleichtert und es in einigen Fällen sogar schafft, die Begeisterung derer zu erschüttern, die seit nunmehr drei Jahrzehnten versuchen, das Gebiet abzustecken. Korsika kommt weiter voran, aber ein bisschen wie ein Seiltänzer! Ich befürchte, dass es noch für lange Zeit so sein wird, denn unsere nationalen und regionalen politischen Instanzen scheinen nicht zugeben zu wollen, dass die Kultur auch eine soziale Hygiene ist, die durch Knüpfen von Verbindungen Sinnvolles entstehen lässt.
Worin unterscheidet sich diese Situation vom übrigen Frankreich?
Korsika hat ab den 70er Jahren alle seine Kräfte mobilisiert, um zu bewahren, was es noch sein konnte. Aus diesem Grund existiert eine Form des kulturellen Aktivismus verbunden mit der Problematik einer "Verteidigung der Identität". Dies erklärt eine derartige Begeisterung, eine solche Kraft, und bringt gleichzeitig unsere echten Schwierigkeiten bei der Vorstellung einer Welt zum Ausdruck, in die wir uns immer mit etwas Scheu einfügen ... Ist das den Inselstaaten vorbehalten?Ehrlich gesagt, wir stellen uns als Kunstschaffende nicht das Problem ihrer Verteidigung. Unsere Sprache drängt sich uns auf, spult sich ab mit unserem Atem. Als Bürger unterstützen wir selbstverständlich alle Maßnahmen, die ihre Praxis in der korsischen Gesellschaft verstärken. Wir fordern immer dafür mehr Mittel, damit sie weitergegeben, unterrichtet, verbreitet, bereichert werden kann. Wir sprechen uns für eine echte Anerkennung aus und warten noch immer ungeduldig, dass Frankreich sich entschließt, die europäische Charta für Minderheitensprachen zu ratifizieren. Nur eine Co-Amtlichkeit ist geeignet sicherzustellen, dass unsere Sprache eine reelle Fähigkeit hat, im öffentlichen Raum eingesetzt zu werden. Sie muß ihren ganzen Platz einnehmen und darf nicht nur die Sprache des Gesangs oder Theaters sein.
Gibt es für Sie eine Ethik, die respektiert werden muss, um die Tradition sich weiter entwickeln zu lassen?Inwieweit hilft die Kenntnis der Traditionen die Welt ins Auge zu fassen?
Zunächst, weil wissen wollen bedeutet, versuchen zu verstehen. Zweitens, weil es illusorisch und gefährlich ist zu glauben, dass die Traditionen nur zu den Wurzeln zurückreichen; über die Tatsache hinaus, dass wir uns durch sie in unseren Praktiken unterscheiden, bringen sie uns Menschen in die gleiche Lage.
"hè andatu u tempu à impachjà si in i libri
è di noi hè firmatu cio' chi' un erede pensa :
un andatu, un erta,
una fiarata intensa
è nant'à l'allusingà
una nivaghja immensa"
"unsere Zeit hat sich in Büchern verirrt
und deren
beigen Seiten
und von uns
bleibt nichts als der Gedanke eines Erben:
ein schmaler
Weg, eine Klippe,
ein immenses
Flammenmeer
und auf der
Haut unserer Illusionen
reichlich
Schneefall"
Eure Lieder beziehen sich oft auf das Religiöse. Welchen Platz und welche Form nimmt die Spiritualität in Ihrem Leben ein?
Das traditionelle polyphone Repertoire ist zum großen Teil mit religiösen Praktiken verbunden. Durch die Bewahrung und die Fortsetzung durch Neukompositionen nimmt es einen bedeutenden Platz auf unserem Weg und in unserem Leben ein. Ich glaube nicht, dass man hier eine Zustimmung zu einem Dogma sehen muss. Für uns ist das Religiöse vor allem das, was miteinander verbindet. Es ist eine Art, die anderen als einen Teil von uns selbst zu erkennen. Eines unserer Lieder aus einem Requiem ( "Corsica riposu Di - Requiem für zwei Blicke", komponiert 2004 beim Festival von Saint-Denis) sagt, "figliolu von ellu, si' figliolu di meiu" / "weil du sein Sohn bist, bist du auch der meine ". Allein schon diese paar Worte sagen mehr über unsere Sicht dem Anderen gegenüber als eine lange Ausführung.
Wie sehen Sie die Rolle der Religion in der heutigen Gesellschaft und ist sie richtig?
Für mich ist es immer schwer zu verstehen, wie die Religionen sich an die Werte anpassen können, die unsere moderne Gesellschaft begründen und organisieren: der Beste sein, ein Sieger sein, seine Verantwortung für alle Eventualitäten einzugrenzen zu wissen, nur das Wohlbefinden für sich oder die Seinen im Sinn zu haben, der individuelle Erfolg ... etc. Das erklärt ohne Zweifel, dass sie sich sehr oft nur wie ein Zufluchtsort erleben, ein Bollwerk, eine gelegentliche Rückzugsstellung, d.h. das genaue Gegenteil von dem, was sie bekunden sollten. Wir von unsrer Seite sagen seit langem und ohne irgendeinen Anspruch, dass es uns scheint, dass Leben bedeutet, die Schlachten zu schlagen, denen man nicht entrinnen kann, weder als Sieger noch als Besiegter, aber gewachsen, und dass wir als Menschen alle verantwortlich sind für alles!
Bei Ihrer
Arbeit spielen die Texte eine wichtige
Rolle; wie wählen Sie sie aus?
Sie haben einen
Text von Primo Levi in Erinnerung an
den Holocaust bearbeitet; was hat Sie dazu bewogen, dies zu tun?
Dieser Gesang ist ein kaum zu unterdrückender Schrei, als dass Levis Text weiterhin nicht immer und überall gehört wird...
Sie haben ein
Festival ins Leben gerufen, "Rencontres
de chants polyphoniques de Calvi"; welche Schwierigkeiten treten dabei
auf, dieses Event fortzuführen?
Dieses Festival ist ein jährliches Treffen von allen polyphonen Ausdrucksformen, die es auf der Welt gibt. Im September feiert diese Veranstaltung ihren 20. Geburtstag. Die Schwierigkeiten, mit denen wir konfrontiert werden, sind im Wesentlichen wirtschaftlicher und finanzieller Art: die Programmgestaltung erfordert gleichermaßen zunehmende Mittel, wo alles ansteigt und immer entfernter wird. Vor allem die Budgets für die Beförderung von Künstlern werden immer höher. Doch die staatlichen Beihilfen nehmen ab, und unsere Aufnahmekapazität ist begrenzt, da unsere Aufführungsorte (eine Kirche und ein Oratorium) eine bescheidene Meßlatte anlegen. Wir haben noch immer keinen Saal, der diesen Namen verdient, und sind dem (nicht immer einfach zu tragenden) Risiko einer Programmgestaltung im Freien unterworfen ... Jeder weiß, dass wir "Königswetter" haben, aber nicht immer! Und schließlich ist das private Sponsoring äußerst gering. Für den Rest, Gott sei Dank, sichert die Begeisterung Dutzender Freiwilliger dieser Veranstaltung eine schöne Lebendigkeit und verleiht ihr vor allem eine Großzügigkeit, die vom Ensemble der eingeladenen Künstler geschätzt wird.
In wiefern hat dieses Festival Ihre Arbeit beeinflusst?
Zunächst hat es uns unsere eigene vokale Tradition besser verstehen lassen, indem es sie zu ihrem Ursprung zurückführt. Unsere Musik tritt stärker hervor, vertrauensvoller und vor allem besser akzeptiert. Die Entdeckung anderer Sprachräume hat uns natürlich veranlasst, bestimmte Einflüsse zu integrieren; den Gesang Georgiens zum Beispiel, von dem wir gerne sagen, dass er uns gelehrt hat, gewaltige Dinge sanft und sanfte Dinge machtvoll zu sagen. Darüber hinaus bringt jede Neuauflage eine Anzahl musikalischer "Klapse" mit sich, die uns auffordert, uns gleich nach der Abreise unserer Gäste an die Arbeit zu machen.
Bei dem Festival treffen Traditionen aus der ganzen Welt aufeinander; wie überlagern sie sich?
Es
erscheint sehr interessant, dass nach der Überraschung der Entdeckung
sich beide Seiten völlig "öffnen". Diese Treffen haben sich ihren Ruf
auf drei Säulen aufgebaut:
-
Die Qualität der Betreuung
-
Die Künstler sind unsere Gäste während der ganzen Woche, auch wenn ihr
Konzert am Anfang oder am Ende des Programms stattfindet. Auf diese Art
haben
sie die Zeit und die Möglichkeit, den Anderen zuzuhören. Das ist
natürlich
schwerer in finanzieller Hinsicht und auch bei der Logistik, aber es
entspricht
unserer Vorstellung einer Begegnung.
-
Wir lieben es, den Künstlern auf ihrem jeweiligen Weg zu folgen und wir
lassen das Publikum teilhaben an diesem Abstand. Oft erscheint es uns,
dass wir
einige Jahre später dieses oder jenes feststellen, das auf
hier erworbene
Einflüsse und Praktiken zurückgeht. Das ist eine natürlich Art den
Traditionen
den Zweck einer gewissen "Mobilität" zu geben.
A Filetta feiert 30-jähriges; was bedeutet das für Sie?
30 Jahre sind schon ein beachtlicher Weg. Der Traum setzt sich fort und macht uns weiterhin zu Privilegierten. Was diese Langlebigkeit erklärt, ist vermutlich die Bedeutung, die wir immer der Fähigkeit jedes Sängers zugestanden haben, sich dem Kollektiv zu überlassen, ohne jemals seine eigene Persönlichkeit aufzugeben. In dieser Hinsicht haben wir den Anspruch zu behaupten, dass wir eine wahre soziale Heimat bilden; einen wohlwollenden Kokon, der es uns erlaubt, das Äußere in aller Ruhe auszusperren. Einer unserer Freunde, Pierre Baquis, hat uns einen sehr schönen Brief geschrieben, der mit den Worten endet: "Ihr singt, und um euch herum entsteht eine Kapelle, die uns beschützt". Glauben Sie nicht, dass es ein Zeichen von großen Unbescheidenheit ist, diese Worte zu berichten, aber wir mögen die Idee so sehr, etwas beitragen zu können, sei es auch wenig, zum Glück von jedem Wesen, das uns ein Ohr „leiht“.
"Eure Hölle ist dennoch meine,
wir leben unter der gleichen Herrschaft
und wenn ihr blutet, blute ich
und ich sterbe in euren eigenen Bindungen
Wie spät ist
es? wie ist das Wetter?
ich hätte jedoch so gern
für euch gewonnen, für mich könnte verlieren
vielleicht nützlich gewesen sein"
L. ARAGON
Was hat sich
geändert zwischen der Intention des Beginns
und Ihrer gegenwärtigen Situation?
Als die Gruppe gegründet wurde, war ich 13 Jahre alt! Es ist klar, dass wir zu dieser Zeit nicht vorhersahen, dass wir solche Entdeckungen machen würden! Unser Hauptanliegen war die Teilnahme an einer Art kulturellen Dynamik, die unserem Land sein wahres Gesicht wiedergeben sollte; denn wer könnte heute leugnen, dass Korsika seit zwei Jahrhunderten eine wirkliche Politik der Tilgung seiner Identität hinnehmen musste? Heute ist diese Bewegung viel reifer geworden und schlecht gewählten Reaktionen entwachsen. Nun verhalten wir uns nicht mehr wie Kinder, die ständig "ich will etwas sagen!" schreien. Heute sprechen wir! Wir sind inzwischen auch zu der Überzeugung gelangt, dass die "Verteidigung“ aller Identität eher durch die Identität geschieht, als durch ihre Verteidigung. Schließlich wird die Tatsache, dass wir uns vor 15 Jahren entschieden haben, vom Gesang zu leben uns ermöglichen, uns voll und ganz dieser Arbeit zu widmen, die uns immer und immer wieder begeistert.
Im Anhang der Leitartikel der letzten Ausgabe von Mondomix. Wie ist Ihre Reaktion darauf?
Es sei uns hier
erlaubt, Marc Benaïche zu diesem Editorial zu beglückwünschen,
das unsere totale und bedingungslose Zustimmung findet. Wir sind
empört,
entsetzt, angewidert über die Scheinheiligkeit unserer Gesellschaft,
die ihre
Geschäfte fortführt und dabei munter ganze Völker und ihre Grundrechte
niedertrampelt. Wir bekräftigen erneut: Wir sind alle verantwortlich
für alles.
Man vernichtet, man verhöhnt, man verfälscht im Namen des hochheiligen
Wachstums; das ist unwürdig und widerlich! In der gleichen Art erneuert
man
unsere Grenzen zu jenen, die man beraubt, ruiniert, verleugnet und
versklavt
hat und die gezwungen sind, in einem Flüchtlingsboot oder dem
Fahrgestell eines
Flugzeugs ihr Leben zu riskieren, um ihre Haut zu retten, und man hat
sogar die
Frechheit, ihnen zu sagen, „dass man keinen Platz für das Elend der
ganzen Welt
hat!" Welcher Mut! Welche Großzügigkeit!
Als wir
ein wenig in der Welt herumgekommen ist, waren wir oft fassungslos ob
der Art wie wir, die westlichen Länder, uns weiterhin anderswo
aufführen; die
Worte Aimé Césaires behalten eine erschreckende Aktualität ...
Eine CD, ein
Buch, ein Film; was hat Sie vor kurzem
beeindruckt?
Am 12. Juni 2008 waren wir, zusammen mit unseren niederländischen Freunden von Tra Noi, Laurent und Suzan und ihrem Sohn Julien, sowie Joëlle und Jean-Paul Pillot, Gäste A Filettas im Carubbu.
Jean-Claude Casanova: Ihr werdet bald (wenn auch nicht offiziell) 30 Jahre A Filetta feiern. Meine Frage ist hauptsächlich an Jean, denn du bist einer der Gründer der Gruppe. Zunächst, welche Bilanz zieht ihr aus diesen 30 Jahren, und gibt es Dinge, die ihr bedauert, gemacht zu haben, oder Dinge, die ihr leider während dieser 30 Jahre nicht gemacht habt?
Jean : Die Frage richtet sich an alle. Nein, wir bedauern nichts. Wir haben immer innerlich angenommen, was wir getan haben, und es nicht nur akzeptiert, sondern viel Freude daran gehabt, es zu tun. Wir waren immer in perfekter Osmose bei den verschiedenen Projekten. Auch wenn wir am Anfang nicht unbedingt alle von diesem oder jenem Projekt überzeugt waren, am Ende findet man alles großartig.
Das war ein sehr schöner Weg, und ich hoffe, dass er noch einige Jahre andauern wird, obwohl das Alter beginnt zu belasten! Projekte, die wir nicht gemacht haben? Wir haben viele Sachen gemacht, wir haben sicherlich viel zu tun, man wird sehen, wie wir vorankommen werden.
Laurent Lohez Nun, gehen wir über zu Bracanà. Eine Frage zu 1901. Ich vermute, dass Tao inzwischen gestorben ist. Worauf basiert das Lied, auf Erzählungen ?
Jean : Er ist
jemand, den ich
kannte, seit er in Calvi
wohnte. Die Geschichte des
Liedes ist verbunden mit der Begegnung mit den georgischen Sängern, vor
allem
aber mit Liebe und Leidenschaft, die wir mit Jean Temir
teilen, einem der Söhne von Tao, der Georgier war. Das Lied wurde
komponiert zum
Gedenken an Tao und den Vater von Cathy Antonini,
die
meine angeheiratete Tante ist. Ihr Vater war Georgier aus dem Kaukasus.
Tao ist
nach Korsika gekommen und lebte hier. Der Vater von Cathy war in
Frankreich im
Exil, nicht in Korsika, sie aber hat auf Korsika mit einem meiner Onkel
eine
Familie gegründet und immer hier gelebt.
Es handelt sich also gleichzeitig um die Liebe für dieses Land, die man
entdeckt durch die georgischen Sänger, und auch persönlich, denn wir
fuhren mehrmals
dorthin, um zu singen. Und für mich ist es eine der schönsten
Erinnerungen, die
Begegnung mit einer Gruppe von Menschen, den Sängern und ihrem Land.
Der
Empfang, den wir dort erlebten, das war wirklich etwas, dass ich gar
nicht
beschreiben kann, so stark war es. Sie haben uns ihr Herz geöffnet, und
das
lässt sich nicht ermessen, es war wirklich sehr heftig.
Es ist also eine Hommage an dieses Land, an diese beiden Personen, die
nicht allen
unbedingt bekannt sind, die aber dem korsischen Land Kinder geschenkt
haben, es
ist eine Fusion dieser beiden Länder durch dieses Lied und vor allem
die Liebe zu
den Menschen.
JC : Ich möchte noch einmal auf die Entstehung von Bracanà zurückkommen. Nach unseren verschiedenen Gesprächen habt ihr die Idee letztendlich ein wenig verändert. Ursprünglich gab es vor allem Titel von Bruno Coulais?
José Filippi : Wir hatten die CD bereits letztes Jahr aufgenommen und waren nicht zufrieden mit der Tonaufnahme, dem gesamten Klang. Man hatte sich für die individuelle Aufnahme der Stimmen entschieden, Stimme für Stimme, und beim Mixen ist klar geworden, dass dies nicht die richtige Wahl war, es fehlte der Zusammenhalt, das Leben. Es wurde beschlossen, erneut aufzunehmen und die Lieder von Bruno Coulais wegzulassen.
Paul Giansily : Um sich später der Aufnahme von Brunos Musik zu widmen. Das schien uns viel besser zu passen, als zwei Stücke zu integrieren, die ein wenig herausfallen, wie ein Haar in der Suppe.
JC : Es ist ein bisschen wie beim Konzert: man liebt diese Lieder, aber nach den Passionsliedern gibt es immer einen Übergang, eine Art Nachlassen...
Paul : Ebenso in der Qualität, wie in der Spannung.
JC : Ich würde nicht sagen, in der Qualität, im Gegenteil, es ist ein Teil, den das Publikum sogar fast noch mehr mag; danach ist der Applaus am stärksten. Dieser Teil des Konzertes gibt vielleicht eine zusätzliche Dynamik, aber er schafft einen Bruch in der Tonart. Ich bevorzuge ein homogeneres Konzert. Aber in der Tat, das Publikum kommt häufig in Fahrt nach Le lac.
José : So empfinden wir das auch. Man ist konzentriert von Anfang bis Ende, aber wenn man die Lieder von Bruno aufgreift, dann wirkt das nicht wie ein Nachlassen, sondern wie eine Erholungspause.
JC : Letzten Endes gibt es auf Bracanà nur zwei neue Kreationen, 1901 und Treblinka, und dennoch, selbst wenn man die Lieder des Via Crucis kannte, spürt man doch eine große Veränderung auf dieser CD. Ich weiß nicht, woran das liegt.
Paul : Ganz einfach, weil nichts fixiert worden ist.
JC : Ja, aber ich hatte sie schon mehrmals gehört, und ich habe den Eindruck, dass ihr noch eine weitere Stufe in eurer Entwicklung erreicht habt.
José : Wie Paul sagt, es ist so, weil die Lieder nicht festgehalten wurden. Auf dem Niveau des Geschriebenen sind sie nicht schwieriger als die vorangegangenen. Man findet keinen Unterschied.
Jean : Ich bin etwas einverstanden, mit dem, was du sagst. Auch wenn die Lieder nicht fixiert oder auf einer CD festgehalten waren, ab dem Zeitpunkt, wo du sie zum ersten Mal gehört hast, haben sie sich weiterentwickelt, und wir auch.
José : Es ist dasselbe mit den Chören von Medea. Im Jahr 1997 waren sie sehr unterschiedlich gegenüber heute.
JC: Richtig, warum habt ihr nochmals einen Auszug aus L’Invitu aufgenommen?
Paul : Wir waren nicht vollkommen von der Aufnahme Medeas überzeugt. Wir sind nicht sehr zufrieden. Die Tonaufnahme, auch unsere Interpretation, sehr gepresst, überzeugt uns überhaupt nicht. Wir denken sogar an eine Neuaufnahme.
Jean : Ich persönlich bin der Auffassung, dass es unser Hauptwerk ist. Es stört mich gar nicht, dass man Bruchstücke in verschiedenen Alben findet, wie in Intantu.
Paul : Es stellt unseren Weg der letzten zehn Jahre dar, es hatte ganz sicher seinen Platz auf der Platte.
JC : Das war
keine Kritik, im Gegenteil! Übrigens, beim letzten Konzert im Européen fand ich, dass
vielleicht die Tatsache, nur einen
Auszug zu haben, ihm mehr Ausdruckskraft gegeben hat.
Paul : Das
fordert so viel Einsatz, so
viel Energie...
Laurent: Eine Frage zu der Monodie von Jean-Luc seine Mutter betreffend, die von einem Dichter für seine Mutter geschrieben wurde. Welche Gefühle hat er, wenn er es singt?
Paul : Es kein Lied, das für seine Mutter kreiert wurde, es ist ein Lied, das Pampasgiolu wieder aufgegriffen und für seine Mutter gesungen hat. Für Jean-Luc ist es persönlich; ich kann nicht für ihn antworten. Ich nehme an, wenn er gewünscht hat, es aufzunehmen, dann war es in seinen Augen wichtig.
José : Jean-Luc
ist jemand, der in
diesem Milieu lebte, mit Dichtern, sein Vater sang ...
JC : Hat er noch viele Monodien in Reserve?
Paul : Ja. Seine Mutter nahm viele Sänger auf. Es gibt die Originalversionen gesungen von Pampasgiolu. Sie kamen damals zusammen.
JC : Treblinka wurde in sehr kurzer Zeit komponiert, wie ihr mir in unseren Gesprächen gesagt hattet.
José : Es ist hier im Carubbu komponiert worden, sehr schnell.
JC : Die Melodie, glaube ich gern. Aber alles, was ihr dazu getan habt, der Beitrag von jedem?
José : Die Worte sind von Jean-Yves Acquaviva. Eines Tages kommt Jean-Claude und sagt: ich habe vielleicht ein Thema zu diesem Lied. Es setzte sich ans Klavier, begann das Thema zu spielen. Wir haben uns um das Klavier versammelt, jeder hat etwas beigetragen, man dachte an einen ununterbrochenen Bass...
JC : Ja, das Summen! Es ist eine Neuerung, einmalig in dem, was ihr macht, nicht?
Jean : Es ist mit geschlossenem Mund.
JC : Wer singt es übrigens?
José : Max macht die tiefste Stimme, Jean, Ceccè und ich machen einen Summton. Ceccè wechselt zwischen Summen und einer anderen Stimme. Und es ist Jean-Luc, der die Dissonanzen in der vorletzten Strophe macht.
Jean : An einem bestimmten Zeitpunkt verändert man alles. Du änderst dich nicht?
José : Eu, ùn
cambiu micca.
Ich wechsele am Ende in eine höhere Stimme,
in die Oktave des Basstons. Aber es stimmt, dass es in 2-3 Tagen
kreiert wurde.
Wir suchten einen zusätzlichen Titel.
JC : Und habt ihr danach gearbeitet ?
José : Nein, es wurde sehr schnell festgelegt. Technisch ist es nicht so schwierig. Zumindest ist es nicht schwer zu platzieren.
JC : Es gibt tatsächlich Lieder, wo man 7 verschiedene Stimmen hat, wie das Benedictus.
José : Du hast das Benedictus, das Dies Irae, wo es wirklich 7 getrennte Stimmen gibt. Danach variiert der Gesang gemäß dem Konzert wie die anderen Lieder, aber es ist nicht schwierig. Es ist mehr oder weniger richtig oder falsch...
Laurent: A
propos
Beati,
ist
es direkt aus der Bibel entnommen?
Paul : Ja,
die Seligpreisungen. Es ist
nicht vollständig, aber es ist aus den Seligpreisungen.
Laurent: Eure Quelle der Inspiration für den Kreuzweg ist in erster Linie die Bibel? Gibt es noch andere Quellen?
Paul : U Sipolcru, das wir wieder in Angriff genommen haben, und U cantu di l’acqua sind Kompositionen von Jean-Claude. Alle anderen Werke basieren auf liturgischen Texten.
Jean : Ihr seid Gläubige, Praktizierende? Denn hier habt ihr die Ungläubigen der Gruppe!
Paul : Man folgt der Philosophie, man versucht, sie zu leben, aber alles, was man uns erzählt...
José : Die katholische Religion ist ein Teil unserer Kultur. Man überwindet die Religion, aber man hat die Grundlage, die Bildung, selbst unbewusst. Man hat darin gelebt.
Paul : Es gibt Leute, die uns nach den Konzerten fragen: "Welchem Orden gehört ihr an? Ihr müsst sehr gläubig sein! ". Tatsächlich ist es die Philosophie, der wir beipflichten, aber das wäre dasselbe bei einer anderen Religion: die Achtung vor dem Anderen....
JC: Habt ihr Euch gewandelt bei Eurer Arbeitsweise, insbesondere der Bearbeitung der Lieder? Bei einem Konzert habt ihr vor kurzem U Lamentu di Ghjesù und neue Kompositionen gesungen. Nun finde ich, dass es eine Kluft gibt zwischen dem Traditionellen und dem, was ihr jetzt macht. Gibt es Unterschiede in eurer Art an sie heranzugehen?
José : Ich
sage Dir, und sei es
ein traditionelles Lied, das wir seit 20 oder 30 Jahren singen, für
mich gibt
es keinen Unterschied. Jede Note ist ein ständiger Kampf. Selbst ein
Lied, das
man gewohnt ist zu singen, wenn du ein wenig nachlässt, fällst du
daneben...
JC : Ich meinte nicht so sehr auf der Ebene des Ausdrucks, sondern eher auf der Ebene der Technik, der Arbeit mit der einzelnen Stimme...
José : Nein, und das hat sich jedes Mal bestätigt: sei es eine neuere Kreation oder ein Lied, dass man seit 30 Jahren singt, wenn du es laufen lässt, und sei es nur ein bisschen, wenn du sagst: "es ist bekannt", kann man einen Reinfall erleben, selbst wenn es keine Technik benötigt. Jedes Mal hat es sich bewahrheitet. Eines unserer ersten Konzerte in diesem Jahr in Calvi war eine Katastrophe. Weil man sich gesagt hat: Es sind Lieder, die beginnen, eingeübt zu sein, und dann, nichts. Wir haben Sumiglia völlig verstümmelt, weil man ein Lied immer wieder neu bearbeiten muss. Deshalb entwickeln sich die Lieder weiter. Die Lieder von Medea, das Dies Irae, Benedictus, Treblinka, werden in 2-3 Jahren anders gesungen werden.
Paul : Und
das Dazukommen von neuen
Sängern hat bewirkt, dass unsere Technik sich verändert.
José : Wir
waren es gewohnt, den ununterbrochenen
Bass du dritt zu machen, Jean, Max und ich. Als Ceccè
dazukam, hat uns der Beitrag einer neuen Stimme destabilisiert. Wir
konnten
unser Gleichgewicht nicht mehr finden. Es war eine gewisse Zeit nötig,
diese Stimme
zu integrieren, bis man sich daran gewöhnt hatte, zu viert zu singen.
JC : Wir kannten euch weniger gut in der Zeit, aber als Jean-Luc dazugekommen ist, stelle ich mir vor, dass das ebenso den Platz von Paul in der Gruppe verändert hat?
José : Ehrlich gesagt, glaube ich das nicht.
Jean : Paul ist praktisch die einzige hohe Stimme geblieben. Er sang sehr wenig seconda, am häufigsten terza, und es ist so geblieben. Paul ist die höchste Stimme, und von Zeit zu Zeit Jean-Claude, aber nicht Jean-Luc. Jean-Luc singt mehr seconda.
José : Paul, hat das Hinzukommen von Jean-Luc dich beeinträchtigt?
JC : Nein, ich habe nicht gesagt beeinträchtigt, sondern die Art verändert dich zu platzieren?
Paul : Ja, es hat meine Art zu singen sehr verändert.
JC : Ich muss sagen, dass man zu dieser Zeit, damals kannten wir euch viel weniger, und die Aufnahmen waren weniger sorgfältig ausgeführt, mehr Schwierigkeiten hatte, die Stimmen zu identifizieren...
José : Das hängt zusammen mit der Schreibweise. Wenn du sieben verschiedene Stimmen ohne führende Stimme hast, wie in Benedictus oder Dies Irae, hörst du selbstverständlich zu einem bestimmten Zeitpunkt alle Stimmen.
Jean-Paul : Und auch häufiges Hören, macht aufmerksamer für jede Stimme.
Paul : Und wir sangen nicht alles zur gleichen Zeit; die Bässe wurden verdoppelt.
AM : Und wie hast du deine Art zu singen geändert?
Paul : Meine Stimme hat sich verfeinert. Wenn ich die Aufnahmen bis Passione nehme, so ist es eine andere Art, meine Stimme zu platzieren.
José : Das steht aber nicht im Zusammenhang mit der Ankunft von Jean-Luc.
Paul : Und auch seine Art zu singen hat mich beeinflusst.
Jean : Jean-Luc hat eine sehr schöne Stimme, aber es dauerte geraume Zeit, bevor er seine Position gefunden hatte, länger als bei Ceccè.
Jean : Es gab die fünf, die die ganze Zeit da waren, und als Jean-Luc sang, hörtest du Jean Luc und die anderen. Es war offenkundig. Es hat wirklich viel Zeit beansprucht, bevor man einen Zusammenhalt erreichte.
José : Es brauchte Zeit um zu reifen.
Jean : Wir haben ihm viel beigebracht!
José : Vor allem Paul. Paul hat eine wunderschöne Stimme, und ich sage ihm immer, wenn ich eine Stimme hätte wie er, würde ich eine Solokarriere machen.
JC : Ihr alle. Im Übrigen kann man jeden von euch gut hören auf Si di mè.
José : Es gibt mehr oder weniger schöne Stimmen, um allein singen zu können. Jean-Luc und Paul haben eine schöne Stimme, die anderen...
JC : Aber ja! Warum, glaubst du, haben sich unsere Freunde dafür entschieden, sich „Tra noi" zu nennen?
José : Am wichtigsten ist die Tatsache zusammen zu singen, ein gewisses Gleichgewicht zwischen uns zu finden. Man hat nie jemand engagiert, weil er eine schöne Stimme hatte. Das war nie ein Kriterium für die Aufnahme.
JC : Es ist sogar das Gegenteil aufgetreten ist, nicht? Einige sind gegangen, obwohl sie eine sehr schöne Stimme hatten!
José : Genau.
Paul : Selbst wenn man sich gut versteht, es ist ihnen aber nicht gelungen, sich in die Gruppe einzugliedern, ihren Platz zu finden. Sie haben es selbst gespürt.
José : Das Leben eines Paares ist schon hart, und das Leben in der Gruppe mit 6 anderen, das ist multipliziert mit 7! Jeder hat seine Sicht der Dinge, seine Persönlichkeit, es hängt von Feinheiten ab...
Laurent : Wie verläuft es in der Probe, wenn ihr nicht einig seid?
José : Das geschieht manchmal, man sagt nichts, aber man spürt, dass es nicht geht, man muss darüber sprechen, man schnauzt sich an, man fängt von vorn an und es geht weiter. Man muss da durchgehen.
Laurent: Warum habt ihr bei Cuntrastu nur die Stimme von Jean-Luc ausgewählt und nicht Jean-Luc und eine andere Stimme, um das Spiel zwischen Mann und Frau zu verstärken?
Jean : Es wurde die Möglichkeit erwogen, das zu machen, entweder mit Paul oder mit Jean-Claude, und man hat die Idee aufgegeben. Wir waren ein wenig in Zeitdruck, und es schien uns passender, die Stimme von Jean Luc vorerst zu lassen, aber wir haben darüber nachgedacht.
José : Außerdem ist Jean Luc wirklich darin aufgegangen; er war am besten geeignet.
Jean : Das
nächste Mal ... Es
stimmt, dass das Lied sich dafür gut eignen würde, es hätte mir
gefallen, es
wäre interessant gewesen. Das wird auf einer anderen CD sein. Anfangs
wollte
man nur eine Monodie
haben, dann haben wir
beschlossen, zwei zu nehmen, wir wurden durch die Zeit gedrängt. Aber
es ist
eine Idee, auf die man zurückkommen sollte.
JC : Habt ihr vor, eines Tages bei Konzerten nur noch Neukompositionen und kein einziges traditionelles Lied mehr zu singen, oder beabsichtigt ihr, eine Verbindung mit der Tradition zu bewahren?
José : Wir sind nicht davon entfernt. Wenn du die Paghjella und die Monodie wegnimmst, ist es soweit!
Jean : Wir denken nicht wirklich daran, aber es gibt keine Tabus.
Paul : Wir wollen es nicht, wir haben nicht den Wunsch die traditionellen Lieder wegzulassen, weil man sie braucht. Sie haben ihre Daseinsberechtigung, es ist ein bisschen wie eine Initiation, um zu zeigen, woher man kommt und bis wohin man gehen möchte.
Jean : Und einige unserer Lieder, die etwas älter sind, sind fast traditionell. Außerdem sind einige Lieder, die man als traditionell ansieht, wie die Messe von Sermanu, nicht so alt. Das Tantum Ergo wurde im Jahr 1957 komponiert. Heute ist ein Teil der Tradition. Die Fanatiker werden einen solchen Anspruch erheben. Und die Tradition ist etwas, das fortbesteht, das sich weiterentwickelt.
Laurent : Letzte Frage zu Bracanà: Treblinka. Von wann stammt der Text von Jean-Yves?
Paul : Ich glaube nicht, dass er sehr alt ist.
Jean, Paul und José : Valérie !
Valérie : Ihr kennt eure Projekte nicht?
Jean : Morgen singen wir mit Daniele di Bonaventura, zwei oder drei Lieder, die wir mit ihm schon für Culomba gemacht haben.
JC : Ist etwas mit Paolo Fresu vorgesehen?
José : Ein Projekt, das sich vom dem unterscheidet, was wir schon gemacht haben, eine gemeinsame Arbeit mit ihm und Daniele, im nächsten Frühjahr.
JC : Ich persönlich finde, dass es Dinge gibt, die sehr gut funktionieren, andere etwas weniger.
Jean : Zum Beispiel ?
JC : Liberata,
daran erinnere
ich mich sehr gern,
Himalaya,
auch Le Lac.
Rex hingegen, da
ist die Mischung schwieriger. Die Meinungen waren geteilt im Publikum.
Es ist auch
eine Tatsache, dass man so sehr daran gewöhnt ist, eure Lieder a
cappella zu
hören, dass sie mit Instrumenten zu hören, fast schon ein Sakrileg
ist...
Danyel Waro?
Paul : Es
wird ein Treffen, keine
Kreation. Jean-Claude hat an den Arrangements von 5 Liedern gearbeitet,
er an zwei
oder drei Liedern.
JC : Man müsste sie bei den Rencontres, danach in Montreuil sehen?
Paul : Ja. Wir möchten auch möglichst bald das Requiem aufnehmen, um es im nächsten Jahr herauszubringen.
JC : Arbeitet ihr derzeit an neuen Werken?
Paul : Nein. Es gibt ein Projekt im Anfangsstadium von La Grammaire de l’imagination, noch nichts Genaues. Es wird möglicherweise eine große Überraschung.
Jean : Zurzeit
haben wir eine
Reihe von Dingen zu fixieren, zu festigen, also momentan keine neuen
Kreationen. Aber es wird eine Arbeit mit Paolo Fresu
geben, das wird von Jean-Claude eine große schöpferische Arbeit
verlangen. Es
ist für das kommende Frühjahr vorgesehen, also man muss jetzt daran
denken.
JC : Und
die Arbeit mit den
Texten von Ghjuvan-Teramu
Rocchi?
Paul : Ja,
das war eine
Möglichkeit, aber es gibt vorerst nichts Konkretes.
Es gibt derartig viele Dinge ... Wir müssen schon unsere Projekte zu
Ende
bringen und dieses Repertoire am Leben erhalten. Es ist wie mit dem Requiem:
Es ist schwierig, dieses Repertoire leben zu lassen,
ihm eine Fortdauer zu geben, es zum Laufen zu bringen, das ist extrem
kompliziert. Mit Danyel
Waro
wird man vielleicht zwei Konzerte machen und das wird dort enden. Oder
wenn er
Lust hat weiter zu machen, gibt es eine Fortsetzung.
Jean : Aber
das bedarf weniger
Arbeit. Das ist leichter.
JC : Was
wir gern hätten, wäre eine
Live-CD oder DVD. In
dieser Hinsicht ist die neueste
CD sehr gut aufgenommen, es ist fast live. Aber oft hat die Platte eine
kältere
Atmosphäre als ein Konzert. Was denkt ihr?
Paul : Es ist sehr schwierig, das erfordert große Mittel, einen Toningenieur. Die Akustik ist unterschiedlich, je nachdem man in einem Saal oder einer Kirche ist, usw...
Jean : Wir haben es oft daran gedacht bei einer Veranstaltung wie Medea.
Paul : Wir sind schon selten zufrieden mit unseren Aufnahmen, dann etwas live...
Jean : Es ist fixiert. Der Fehler, wenn er dort ist, er bleibt!
Laurent: Singt ihr lieber vor Publikum oder um Sachen für eine CD zu machen?
Paul : Beides
ist wichtig. Aber
Spuren zu hinterlassen ist nicht entscheidend, am wichtigsten ist die
Begegnung
mit dem Publikum. Das ist das Wesentliche. Die klassischen Musiker
haben
niemals aufgenommen...
Man ist oft zufriedener mit den Erinnerungen an Begegnungen, als mit
den
Platten.
Jean : Die CDs vergisst man schnell. Man hört sie selten noch mal.
JC : Die ersten, hört ihr sie noch manchmal an?
Paul : Nein !
Jean : Es gibt eine, Una tarra ci hè, die ich mir mit Freude anhöre.
JC : Wir auch. Das ist eine unserer liebsten von den Älteren.
Paul : Man ist immer kritisch, man kann sie nicht hören, als wäre es eine Platte von jemand anderem.
JC : Richtig, welche andere Musik hört ihr?
Paul : Von allem. Alle Stile: Unterhaltungsmusik, Klassik, Rock, Hard Rock. Auch gern Unterhaltungsmusik von vor 20-30 Jahren, klassische Musik, Musik aus der ganzen Welt ....
Jean : Ich fast das gleiche, weniger Unterhaltungsmusik als Paul. Auf Tournee weiß man auf jeden Fall, was er hört, er singt! Es ist recht vielseitig in ihrer Auswahl. Früher hörte ich viel traditionelle Musik, jetzt mehr Klassik. Ich hatte auch meine Hardrock-Phase, mein Sohn spielt es, ich liebe Rock. Man ist offen für alle Musik.
JC : Und Jazz ?
Jean : Es gibt sehr wenige Liebhaber des Jazz in der Gruppe
José : Ich bin kein großer Fan….
JC : Und dennoch habt ihr in eurer Phrasierung etwas von Jazz.
José : Mein einziges Jazzkonzert, das ich mochte, war während unseres zweiten Aufenthalts in Georgien, mit Michel Petrucciani, und das habe ich genossen.
Jean : Das ist nicht Teil unseres Universums. Und dennoch war einer der ersten Künstler, mit denen wir zusammenarbeiteten, Jean-Louis Longnon. Vielleicht kennt man ihn nicht genug, das ist schade.
JC : Dann musste euer Treffen mit Jaume und Fresu ein Schock sein?
José : Nein, das war ganz natürlich, ohne jegliche Schwierigkeiten.
Jean : Es war ein Schock, aber im
guten Sinne des Wortes: Ein der Schock der Freude an der Begegnung,
nicht ein Schock
der Stile, die aufeinander trafen. Es gab keine Konfrontation.
In der Tat gibt es möglicherweise etwas zu finden. Anscheinend erfolgt
das,
ohne das man es sucht, es ist ganz natürlich eingetreten, in völlig
natürlicher
Art und Weise mit Paolo Fresu
und Daniele di
Bonaventura, der kein Jazzmusiker ist, ihn aber spielt.
Anne Marie : Nichts mit Bruno Coulais ?
Paul : Nein, nichts Genaues zu diesem Zeitpunkt.
AM : Und das Theater mit Orlando?
Jean : Eine
Wiederaufnahme der
Medea, die
ihr im Oratorium gesehen habt. Ein kleines Interreg-Projekt,
das gefällt Valérie!
(Paul,
Jean und José brechen in
Gelächter aus)
Paul : Es ist nicht nötig, sich die Ohren mit Musik vollzustopfen: schauen, hören, fühlen.... Das wird vielleicht etliche Gefühle hervorrufen und erweckt danach möglicherweise Lust, Musik zu hören.
Jean : Du erwartest, dass wir über andere Musik sprechen, als die von A Filetta? Das ist schwierig!
Paul : Neulich hörte meine Tochter Thomas Dutronc, und sie sagte: "Das ist keine korsische Platte, aber es ist eine gute Platte, um Korsika zu entdecken."
Jean : Ich mag Ange Lanzalavi sehr, eine gute Musik.
José : Und es gibt die Brüder Vincenti.
Jean : Das ist mehr für Korsen, als für jemanden, der herkommt, um Korsika kennen zu lernen.... Es ist sehr schön, aber ... Nein, ich glaube, es ist A Filetta! (er lacht) Alle Gruppen bringen etwas. I Muvrini, Canta u Populu Corsu, einige Polyphoniegruppen ...
Paul : Ich versuche, das Alphabet zu lernen, ich habe mit dem Ausmalen begonnen!
José : Man wagt nicht, sich hineinzustürzen.
Jean : José hat einige Stücke am Computer geschrieben.
José : Nein, ich habe es nicht gewagt.
Jean : Das ist schade, er hat Sachverstand.
José : Ich
hatte für
Sonnii zitellini komponiert.
José : Es ist herausgekommen, aber wir spielen nur eine geringe Rolle. Wie so oft mit der Filmmusik nimmt man viel auf und es gibt viele Schnitte. Der Film ist zur gleichen Zeit herausgekommen wie Asterix, und ich weiß nicht, ob das gelaufen ist.
J.P : Marco Polo wurde niemals aufgenommen.
José : Wir bringen zwei Lieder von Marco Polo im Konzert.
Jean : Sie werden vielleicht Teil einer CD sein.
Paul : Und die Lieder von Vidocq. Es gibt Material um eine CD zu machen.
J.C : Ich fände es gut, wenn ihr Himalaya ohne Orchester aufnehmen würdet.
Laurent: Apropos Don Juan, habt ihr den Film gesehen? Hat er euch gefallen?
Jean : Ja.
Paul : Er hat Längen, das ist sicher.
José : Der Soundtrack war neu für mich.
JC : Für mich ist Himalaya der am meisten gelungene Film, in Hinblick auf die Abstimmung von Musik und Bild.
José : Bei
Le peuple migrateur gab es viel mehr Musik, und das
wurde geschnitten. Der Produzent hat eine Menge Musik herausgenommen,
sie
hatten Angst, dass die Musik die Bilder überflügelt.
Laurent: Julien
hat
eine Bitte: könnt ihr etwas für ihn singen?
Und unsere Freunde stimmen einige strophen von Lettera à Mamma, zu
Julians großer Freude und auch unserer eigenen...
A Filetta ist ein Wunder. In dreißig Jahren einer Karriere, die gern Abkürzungen nutzt, ist der Formation aus der Balagne das Kunststück gelungen, Erfolg beim Publikum, Anerkennung der Kritik und musikalische Exzellenz zu vereinen, auf Korsika und anderswo. Jean-Claude Acquaviva, charismatischer und kompromissloser Leiter A Filettas, öffnet uns die Türen zu dieser Gruppe, die ist wie keine andere .
Dreißig
Jahre Karriere, feiert man das?
Also
auch keine
Bilanz?
Eines
ist sicher, diese dreißig Jahre sind mit einer unglaublichen
Geschwindigkeit vergangen. Wir sagen oft auf der Bühne, ohne Demagogie,
dass
wir zu keinem Zeitpunkt das Gefühl haben, dass sich Routine eingestellt
hat.
Für uns ist jedes Konzert ein Abenteuer, sogar ein Kampf. A Filetta ist
ein
wenig in der Situation eines Bergsteigers, der alle Gipfel der Welt
erklimmen
könnte. Es gibt immer noch einen anderen zu besteigen. Wir sind ständig
auf der
Suche nach einer Ausgewogenheit, die oft erreichbar scheint, sich aber
immer
wieder entzieht.
Aber
was bleibt bei einer so großartigen Karriere noch
zu tun?
Alles
bleibt zu tun. Ich möchte zum Beispiel ein
philharmonisches Repertoire entwickeln. Wir haben auch Lust, einen
Trickfilm
für Kinder herauszubringen. Und dann wollen wir auch die Begegnungen
mit der
Musik anderswo fortsetzen. Falls man uns morgen zu einem Konzert in den
Tempeln
von Angkor oder auf Grönland einlädt, brechen wir auf ohne darüber
nachzudenken.
Die Grenzen verschieben, Dinge unter außergewöhnlichen Bedingungen zu
tun, das
ist immer spannend.
Man
hat den Eindruck, dass die Karriere A Filettas aus
zwei verschiedenen Teilen besteht...
In
der Tat. Anfangs haben wir uns entwickelt,
machten Platten, aber mehr oder weniger dilettantisch. Im Jahr 1994 hat
sich
alles geändert. Angesichts der Möglichkeiten, die sich als Folge
unserer
Verfügbarkeit böten, entschieden wir uns, Berufsmusiker zu werden, und
dabei
unseren Neigungen freien Lauf zu lassen. Dann ging alles sehr schnell.
Und wenn
ich auf unseren Weg seit dieser Zeit zurückblicke, sage ich mir, dass
wir etwas
Außergewöhnliches realisiert haben.
Hat
diese Entwicklung Sie überrascht?
Ich
denke, dass es so lange fortdauert, kommt daher,
weil wir nie etwas geplant haben. Auch heute noch beschäftige ich mich
nicht
mit der Zukunft. Alles ist eine Sache der Begegnungen, des
künstlerischen
Herzschlags, der Anfragen. Ich habe keine Ahnung, was wir in zwei
Jahren machen
werden. Die Planung einer Karriere erfordert Zugeständnisse,
Berechnung, die
Einsetzung einer Strategie. Nichts für mich.
Was
die Beziehungen zu den Plattenfirmen nicht
erleichtert ...
Wir
haben mit einem Dutzend Plattenfirmen gearbeitet;
es ist immer schief gegangen. Ich möchte nicht, dass man mir sagt:
"schlage diesen Weg ein, du wirst viele Leute ansprechen". Wenn dies
bedeutet, meine tiefen künstlerischen und menschlichen Überzeugungen zu
durchkreuzen, dann kommt es nicht infrage. Virgin, die letzte, war
bereit,
große Mittel für uns einzusetzen, wollte aber, dass wir Duette mit
Axelle Red
oder Souchon machen sollten. Es steht außer Frage, dass ich zu Axelle
Red gehe
und zu ihr sage, "komm, sing mit mir, damit wir ein paar Platten mehr
verkaufen". Das ist unwürdig! Heute ist es ziemlich schwierig, eine
Plattenfirma zu finden, und paradoxerweise sind wir überall ausgebucht,
wo wir
hinkommen. Was uns letztendlich sehr überzeugt. Natürlich haben wir
nicht den
Bekanntheitsgrad für die 20 Uhr Nachrichten, aber wir besuchen
außergewöhnliche
Länder, bereichern uns menschlich, und es sind die Momente der Emotion,
der
Teilhaftigkeit, die unbezahlbar im Leben eines Menschen sind.
A
Filetta ist in vielen Musikstilen zu Hause. Gibt es
einen, den Sie bevorzugen?
Für
mich gibt es keine mehr oder weniger edle Musik.
Es gibt Lieder von Léo Ferré, die Denkmäler sind. Aber nichts ist
schöner, als
sich nicht auf ein Format zu beschränken, sich nicht die Frage nach dem
Wohlwollen des Publikums zu stellen, sich nicht zu fragen, ob es sich
langweilt. Diese Art von Erwägungen überfüttern mich. Man muss
Vertrauen zum
Publikum haben. Wenn man ihm viele formatierte Sachen gibt, wird es am
Ende
damit zufrieden sein. Es macht mir ebensoviel Lust ein Lied von drei
Minuten zu
schreiben, wie einen Chor von zwanzig Minuten oder ein Requiem. Doch
sowie der
Trend zu kurzer Musik geht, habe ich Freude, das Gegenteil zu tun.
Durch
Ihre Genauigkeit bei der Arbeit und in Ihren
Leistungen haben Sie sich immer von allen Produktionen der Insel
abgesetzt.
In
dieser Materie, denke ich, gibt es auf Korsika eine
Verwirrung der Genres. Der italienische Ethno-Musikwissenschaftler
Giovanna Marini
sagt, dass das Volkslied anfangs die Funktion eines Ritus hatte,
beispielsweise
beim Pflügen oder bei den Totenzeremonien. Es ist eine Ausdrucksweise,
die die
Momente des Lebens begleitet. Die Bühne ist eine andere Sache. Dies
umso mehr,
weil man ein Publikum gegenüber hat, das Eintritt bezahlt. Plötzlich
ist man
nicht mehr in dem Augenblick, im Spontanen. Man ist auf der Suche nach
künstlerischer Wirksamkeit, deren Konzept völlig ohne Ritus ist. Man
ist im
Spiegelbild des Ritus, aber nicht mehr im Ritus.
Man
macht Ihnen manchmal der Vorwurf in einer wenig
verständlichen Sprache zu schreiben ...
Und
ich antworte, dass man nicht immer alles bei
Pessoa, Mallarmé oder Aragon versteht. Was ich sagen will ist, dass
jeder
seinen Code hat, seine Art Dinge zu schreiben, die in ihm widerhallen
und sehr
machtvoll sind. Ich bin ein Liebhaber von René Char, aber er ist nicht
immer
einfach zu verstehen, sogar nicht einzukreisen. Dennoch ist es eine
fantastische Sprache, eine Explosion von Farben und Gefühlen. Ich
selbst bin
voller Bewunderung, wenn ich die Gedichte von Filippini lese, sie sind
herrlich,
und es berührt mich umso mehr, weil ich weit davon entfernt bin, die
Sprache so
zu handhaben wie er. Es ist aber nicht so, dass ich ein Versager bin
oder dass
die Sprache, die ich benutze, kein Interesse verdient. Mir scheint, man
muss
unbedingt zwischen der pädagogischen Arbeit und dem künstlerischen Werk
unterscheiden. Das Künstlerische darf keine pädagogische Rolle haben.
Man muss
sich bei der Kunst nicht die Frage stellen, ob man immer verstanden
wird.
Eine
weitere auffallende Charakteristik von A Filetta
ist das Fehlen von Nostalgie, die einen großen Teil der korsischen
Künstler
beseelt...
Die Nostalgie ist eine schiefe Form der Erinnerung. Man entnimmt etwas
aus
seinem Kontext, wir wollen nur im Gedächtnis behalten, was uns gut
erscheint.
Dies drückt eine totale Unfähigkeit aus, in der Gegenwart zu bleiben.
Und auf
dem Gebiet des Gesangs ist es dasselbe. Mit dem Risiko zu erstarren,
die Gefahr
zu legitimieren, die in jeder Form der Öffnung liegen könnte. Es ist
vernünftig, dass es Leute gibt, die als Wächter fungieren, aber das
schließt
nicht aus, dass es andere gibt, die die Tradition erschüttern. Ich bin
traurig,
wenn ich Leute sagen höre, dass man an nichts rühren darf, weil unsere
Alten es
uns so hinterlassen haben. Das widerspricht aller Dynamik des Lebens.
Was
halten Sie von der Fülle korsischer Sänger und
Gruppen?
Man darf die Leute, die etwas ausdrücken wollen, nicht hindern es zu
tun.
Deswegen ist es ein echtes Problem, dass niemand eine qualitative
Unterscheidung zwischen den Gruppen macht. Es ist ein schlechter Dienst
an den
Künstlern, sie alle auf die gleiche Ebene zu stellen. Man muss eine
Auswahl
treffen, seien es die Radio- und Fernsehprogrammgestalter oder die
Menschen,
die durch ihre Zuschüsse einen großen Teil der Produktion unterstützen.
Man
kann nicht ständig sagen, dass alles gut ist, denn wenn alles gut wäre,
wäre
nichts gut. Nirgendwo funktioniert dies so. Das ist kein elitäres
Gerede. Ich
sage nicht, dass man die Schlechten aussortieren sollte. Unsere ersten
Platten
waren musikalisch Katastrophen. Und wenn man uns nicht die Zeit zur
Entwicklung
gelassen hätte, wären wir heute ohne Zweifel nicht mehr da. Aus diesem
Grund
müsste es ab der ersten CD einer Gruppe von Leuten geben, die ihre
ehrliche
Meinung sagen. Das ist der einzige Weg Fortschritte zu machen.
Auf
Korsika gibt es also keine Kritik?
Entweder
man sagt nicht viel, um nichts zu sagen, was
kränken könnte, oder man verfällt in überschwängliche Äußerungen,
sobald der
Künstler ein wenig bekannt ist. Es ist umso peinlicher, dass
man uns
beweihräuchert, wenn wir Scheiße gemacht haben, aber als Revanche ohne
Grund
die niedermacht, die von außerhalb kommen. Ich leide, wenn ich die
Berichte von
Journalisten lese, die zu einer Aufführung gekommen - oder nicht
gekommen - sind, und einen Kommentar
schreiben, wo sie sich damit begnügen, uns die Pressemitteilung wieder
aufzutischen. Ich glaube, alle würden durch ein wenig Ehrlichkeit und
Kritik
gewinnen, auch diejenigen, die das eine oder andere Mal kritisiert
werden.
Sébastien Bonifay
Wie
hat sich Ihr Repertoire in 30 Jahren entwickelt?
Unsere Entstehung wurde durch den Riacquistu* getragen und
dem
Bemühen, aus unserer Geschichte hervorgegangene Dinge zu verbreiten,
die
verloren gehen würden. Heute werden die Kompositionen in einer
natürlichen
Kontinuität durch all unsere Treffen angereichert, denen wir im
Wesentlichen
unser Repertoire verdanken.
(*kulturelle
Erneuerungsbewegung auf Korsika in den
70er Jahren)
Und
von all diesen Treffen, welches war das, sagen
wir, markanteste?
Georgien und der Chor von Tiflis, mit dem wir uns mehrfach zu Beginn
der 90er
Jahre austauschten. Es gibt zwei georgische Lieder auf unserem neuen
Album, und
dort wurden korsische Lieder auf Georgisch aufgenommen.
Beleben
diese kulturellen Fusionen mit Anderen Ihre
eigene Kreativität?
Sogar unbewusst hinterlässt eine bereichernde und ehrliche Begegnung
unauslöschliche Eindrücke, und die Einflüsse äußern sich in unseren
Worten,
unserer Musik, unseren Harmonien.
Was
sagen Sie von dem ausländischen Publikum?
Der Empfang ist überall herzlich, denn es gibt keine Länder, die, wegen
ihrer
Zeitlosigkeit, kein Interesse für die vokale Kunst bekunden und keine
Faszination für die Arbeit mit den Stimmen spüren. Diese Mischung von
Begeisterung und Neugier ist offenkundiger in Deutschland, Österreich
oder
Skandinavien, als in den Mittelmeerländern, die etwas weniger
empfänglich für diese
exotische Form sind, die sie anderswo darstellt.
Auf
Korsika wird demnächst ein Zentrum für polyphone
Kunst eröffnet?
Sartène,
Pigna. Es braucht gleichzeitig kulturelle und
finanzielle Mittel, damit es funktionieren wird. Alles, was geeignet
ist Eingrenzungen
zu beseitigen, ist eine ausgezeichnete Sache. Anders als manche
glauben, ist
die Protektion nicht die beste Lösung. Man sollte nicht verteidigen,
was man
ist, sondern sein, was man verteidigt.
Auch
wenn der Gesang weniger fordernd geworden ist,
fühlen Sie sich immer noch politisch involviert?
Paradoxerweise macht es die Botschaft stärker, die du erteilen willst,
wenn du
dich von dem Flugblatt-Lied entfernst. Das Mittel, um am besten deine
unvergängliche Liebe zu Korsika, seiner Sprache, seiner Literatur,
seiner
Poesie auszudrücken, ist, deine Musik von Komplexen zu befreien, sie
leben zu
lassen im Kontakt mit der Musik Anderer. Diesem Veredelungsprozess ein
Ende zu
setzen ist eine gefährliche Haltung, die zu seiner eigenen
Heiligsprechung
führt. Und ein Heiligtum verströmt immer einen leichten Todesgeruch.
Ihr
Gefühl zu der x-ten Krise, die Korsika momentan
durchmacht?
Ein
Gefühl, dass der Kopf verkehrt herum ist. Man muss
Korsika die Mittel geben, Korsen zu machen und nicht darauf bestehen zu
glauben,
dass es die Korsen sind, die Korsika eine statische Vorstellung von dem
geben,
was wir sind. Die Dinge sind in ständiger Bewegung. Ihren Kurs
anzuhalten ist
eine Illusion, die sehr schwerwiegende Auswirkungen auf dem Gebiet der
Ethik
haben kann, wie die Ausgrenzung.
Wie
kann man das vermeiden?
Indem
man verwurzelt ist in der Idee, dass
aller Fortschritt nur die Konsequenz von Arbeit, Respekt, Strenge ist
und
unserer Fähigkeit standzuhalten in der Intelligenz, der Offenheit und
dem
Dialog. Die Weltgeschichte lehrt uns, dass man nichts durch Gewalt
erreicht.
Äußerungen aufgezeichnet von J.M. Raffaelli
U Carubbu |
Das Mailbox A Filettas |
L'invitu (Pierre, Jean-Claude, Pascale und Anne Marie Casanova und Françoise
Coulomb)
Zunächst, welche Bilanz ziehen A Filetta aus diesen 18.
Rencontres, die gerade zu Ende gehen, was ist eure Meinung zu dem
Ablauf, und was möchtet ihr möglicherweise geändert sehen?
Jean-Claude Acquaviva: Es gibt das ein oder andere zu verschiedenen Dingen zu sagen. Meiner Meinung nach waren diese Rencontres hinsichtlich der Programmgestaltung vielleicht eine der besten Ausgaben, insofern als das Programm sehr kohärent war. Wir bedauern natürlich einiges, besonders dass das Finale nicht wie vorgesehen im Freien stattfinden konnte. Wir haben auch etliche Zweifel an dem Konzert in Bastia; nicht an Faiz Ali Faiz, das war riesig, sondern ein Problem mit der Aufführungsstätte.
L'invitu: Wir haben miteinander auch darüber gesprochen und sind der gleichen Meinung.Ansonsten
muss wieder ein Gleichgewicht zwischen der Polyphonie und den anderen
Beiträgen gefunden werden. In diesem Jahr gab es relativ wenig
Polyphonien, aber das liegt daran, dass die Polyphonie, in 18 Ausgaben,
ich will nicht sagen, die Runde gemacht hat. Aber man hat vieles im
Programm gehabt, und wir haben jedes Jahr die Schwierigkeit, Sachen
vorzuschlagen, die nicht unbedingt unveröffentlicht sind, aber neu, die
etwas bringen.
Es gab schon in der Vergangenheit die Idee,
dass es gut wäre, anstatt jedes Jahr die Sorge zu haben, neue Sachen zu
suchen, wenn die Rencontres zum Schaufenster von einigen Künstlern
würden, denen man in ihrer Entwicklung, auf ihrem Weg folgen könnte.
Das würde uns erlauben, einige Künstler wieder ins Programm zu nehmen.
Allerdings müssten diese Künstler auch eine Entwicklung durchmachen,
das ist das Problem. Leider kamen zum Beispiel die Georgier sieben oder
acht Mal, jedes Mal hatten sie das gleiche Repertoire. Und damit ist
man irgendwo blockiert.
Also im Großen und Ganzen ist der Besuch gut, ansteigend, abgesehen von Bastia. Die Programmgestaltung scheint mir hinsichtlich des Künstlerischen sehr kohärent, wir hatten sehr schöne Sachen, aber es gibt trotzdem dieses Ungleichgewicht zwischen Polyphonien und Solisten, und es müssten Dinge auf technischer Ebene vereinfacht werden, aber das geschieht gerade durch ein besseres Gleichgewicht zwischen beiden: Es wäre gut, der Idealfall, die Kathedrale und das Oratorium ohne Lautsprecheranlage zu planen, und das, was beschallt werden muss, im Freien stattfinden zu lassen. Und man müsste einen Ort haben, wo man sich im Falle von schlechtem Wetter zurückziehen kann, der für ein Konzert mit Beschallung geeignet ist. Andernfalls ist das nicht machbar.
Und schließlich eine letzte Bemerkung: Im Nachhinein sind wir der Meinung, dass es keine gute Idee war, die Auszüge von Marco Polo im Rahmen des Finale zu bringen: Es war fast ein Theaterstück, eine Inszenierung. Das ist zu schwer, man hat nicht den Kopf dafür, es fehlt die Zeit unter zufrieden stellenden Bedingungen zu arbeiten, und es hat uns das Finale der Rencontres verdorben. Bis zum letzten Moment haben wir geschwankt, es zu machen, es nicht zu machen, es ins Programm zu nehmen oder nicht, es zu proben, eine Gesamtprobe zu machen oder nicht, dann, es zu machen, aber es war keine Zeit mehr, weil noch keine Tonprobe gemacht worden war, denn wenn wir die Tonabstimmung machen, beginnen wir im Oratorium, usw. All das ist zu überdenken...
L'invitu: Aber das ist trotzdem wetterabhängig?
Absolut, man muss vorzeitig den Wetterbericht kennen.
J.C.: Ich glaube, ohne ihm Blumen senden zu wollen, dass es mit seinem Wesen
zusammenhängt. Er ist jemand, der sehr schnell einig mit allen ist,
nicht nur mit uns, auch im Vergleich mit seiner Generation. Er fällt
ihm leicht, mit anderen zu sein, er hat sich schnell an uns angepasst.
Es ist nicht einfach, in eine Gruppe einzutreten, vor allem in eine
Gruppe, die seit Jahrzehnten fest verbunden ist, wie unsere. Auf
künstlerischer Ebene gab es keine besonderen Schwierigkeiten,
hinsichtlich der Integration hat er sich sehr schnell wohl gefühlt...
Abgesehen von den braunen Schuhen!
Die braunen Schuhe von Nanterre! (Gelächter)
Sprechen
wir ein wenig über die Entstehung der Gruppe. Wie sind die
musikalischen Wurzeln des einzelnen? Gab es in euren Familien eine
Gesangstradition, eine musikalische Tradition? Oder seid ihr später zum
Gesang gekommen, durch die Schule oder beim Eintritt in die Gruppe?
Das
ist bei den einzelnen sehr unterschiedlich. Es gibt welche, die kommen
aus Familien mit Gesangstradition: Jean-Lucs Vater, der Hirte in der
Marzulinu ist, singt sehr gut, er hat eine natürliche Stimme wie er,
von Anfang an war er dort drin.Die anderen nicht. Es gibt
verschiedene Einflüsse, einige kamen zum Gesang während der Schulzeit
durch die Polyphonie selbst, andere machten Musik. Das war sehr
unterschiedlich. Paul begann mit uns zu singen, als wir zusammen in der
Schule waren. Er sagt immer, in der ersten Zeit hätte er diesen Gesang
überhaupt nicht gemocht...
Paul: Wenn ich eine Platte
mit Polyphonie hörte, zappte ich. Es geschah ganz zufällig, ich hörte
sie in meinem Sessel und irgendwann hat Jean-Claude zu mir gesagt:
„Möchtest du nicht versuchen zu singen?“
Und du hast es versucht ...
Jean-Luc: Er konnte seinen Mund nicht halten! (lacht)
Paul: Er hat es mir vorgeschlagen und ich habe mich angestrengt.
Du hast vorher überhaupt nicht gesungen?
Paul: Nein, ich sang mal so, ich mochte gern Musik, aber das ist alles.
JC: Wir waren zusammen in der Schule. Es war eine Zeit, wo jeder anfing zu
singen. Es gibt viele Leute, die singen gelernt haben; sie sind nicht
alle Sänger geworden. Aber wir waren in der Pause, man sang, jeder
versuchte es zu lernen. Wir waren bei der Arbeit, und er war da; ich
habe ihm gesagt, „willst du nicht etwas tun? Versuch es!“ Damals war er
begeistert von Polnareff, aber die Polyphonie war seine Sache nicht.
Und danach, nachdem er einmal angefangen hatte, war er es, der
hartnäckig war. Am Ende jedes Kurses suchte er uns, um zu proben.
Damit kommen wir zu einer anderen Frage: Wie ist euer Musikgeschmack abgesehen von Polyphonie?
Paul : Mike Brant, Johnny Hallyday.
JC: Er ist sehr unterschiedlich. Die Einflüsse sind vielfältig. Es gibt
welche, die Vokalmusik mögen, Klassik, elektronische Musik, die so
genannte urbane Musik. Wir haben wahrscheinlich nicht die gleichen
Platten.
Paul: Es ist mir passiert, dass ich Zuhörer
schlecht gemacht habe, die mir sagten: „Wir hören nur Polyphonie“. Ich
habe sie angeschaut und gesagt „Nun ja, ich bedauere Sie!“
Bei den Rencontres treffen sehr unterschiedliche Musikrichtungen aus der ganzen Welt aufeinander.
Das
Interessante ist, dass trotz unterschiedlicher musikalischer Wurzeln,
verschiedener musikalischer Neigungen, man sich dort wieder findet, wo
man ist. Ich sehe, dass darüber hinaus, was man macht und wie man es
macht, es am Ende eines Konzerts, auch ohne darüber gesprochen zu
haben, selten unterschiedliche Meinungen zu dem gibt, was man gehört
hat. Obwohl a priori der Geschmack sehr unterschiedlich sein kann, gibt
es Sachen, die uns alle ansprechen; man ist sich oft ziemlich einig.
Die gleiche Geschmacksfamilie, eine gleiche Sensibilität?
Nun,
eine gleiche Sensibilität, das ist wichtig, weil es sonst künstlerische
Sachen gäbe, die nicht funktionieren. In der Gruppe gab es viele andere
Sänger, die dabei waren, die aber aus diesem Grund alle nicht geblieben
sind. Es gab Leute, die sangen ausgezeichnet. Maxime Merlandi, der mit
Rassegna und Barbara Furtuna singt, ist sehr gut, aber er konnte nicht
in der Gruppe bleiben. Es ist ganz und gar nicht die Gruppe, die ihn
zur Seite gedrängt hat, ich glaube, er hatte es schwer, seinen Platz zu
finden, obwohl er ein super Interpret war.
Es war dasselbe mit
Stéphane Casalta oder mit Feli. Man kann nicht sagen, dass es so ist,
weil sie starke musikalische Persönlichkeiten sind; in der Gruppe gibt
es solche. Das ist nicht das Problem, sondern in Osmose mit den anderen
zu funktionieren. Es gibt Leute, die das nicht können; das zeigt sich
auch an dem Verhalten außerhalb der Bühne. Bei uns ist das
gleichermaßen fantastisch und schwer, weil wir ein Verhalten haben,
einen Herdentrieb, der manchmal schwierig zu handhaben ist, da eine
Erstickungsgefahr besteht, aber ich denke, das lässt es andauern, und
vor allem haben wir ein künstlerisches Projekt, das mir kohärent
erscheint...
Das ihr vorantreibt....
Durch das wir auf dem Weg vorankommen…
Man spürt wirklich das, was du auf der DVD von Don Kent sagst. Übrigens haben viele Leute A Filetta dank dieser DVD entdeckt.
Es
ist Tatsache, dass – deswegen war diese DVD auch wichtig für uns – wir
bis dahin nicht unbedingt die Gelegenheit hatten zu sprechen, wie mit
euch oder wie mit Don Kent, als er diese Aufnahme gemacht hat. Wenn man
eine Sendung macht, kann man nur sehr schnell etwas erwähnen, und ich
sagte es vor kurzem zu Vincent Zanetti, denn wir haben fast eine Stunde
über unsere Arbeit gesprochen, dass es gut ist, Interviews so zu
machen. Ich hatte dabei wirklich das Gefühl, Dinge über uns zu
entdecken, während man drei Viertel der Zeit Menschen gegenüber steht,
die zwar nicht uninteressiert sind, doch oft keine Zeit oder nicht den
nötigen Abstand haben. Ich glaube, es war gut für diese DVD, dass Don
Kent ihr Zeit gewidmet hat, fast zwei Jahre, und viel Einsatz: Er ist
wiedergekommen, um uns sieben- oder achtmal an sehr unterschiedlichen
Orten zu filmen, und er ließ Abstand zwischen seinem Kommen: zwischen
den einzelnen Terminen überprüfte er, was er gefilmt hat, und außerdem
hat er allen das Wort erteilt; auch das ist eine Qualität...
Man
spürt viel von euren Beziehungen, was zwischen euch geschieht; das ist
das Bewegende an diesem Film. Es wurde von Familie gesprochen, es ist
genau das, es geht weit über das Singen hinaus. Und was ihr auf der
Bühne gebt, das spürt man auch in euren Worten auf der DVD.
Seit
etwa fünfzehn Jahren gewinnen die Neukompositionen immer mehr an
Bedeutung. Bist du der einzige in der Gruppe, der komponiert?
Der
für die Gruppe schreibt, komponiert, ja, aber ich bin sicher, dass
einige unter ihnen sind, die das auch könnten. Die Dinge sind so
strukturiert, weil ich ganz jung anfing Lieder zu schreiben, und später
habe ich weitergemacht. Aber ich weiß, dass José beispielsweise
Chansons geschrieben hat, als wir ein Album für Kinder machten. Er kann
Lieder schreiben. Ich denke, dass auch andere aus der Gruppe das tun
könnten. Sie machen es nicht, genauso wie sie wenig sprechen, weil ich
spreche und das einfacher ist. Ich will auch keine Rede darüber halten,
dass jeder alles machen kann; vielleicht gibt es Leute, die keine
Inspiration haben, das weiß ich nicht. Aber ich bin überzeugt, dass es
unter ihnen welche gibt, die schreiben können.
Wie
verläuft das Schreiben? Was ist der Ausgangspunkt? Was uns erstaunt ist
die Komplexität der Schrift; es gibt großartige Melodien, aber vor
allem sehr starke Harmonien. Es erscheint nicht selbstverständlich
direkt die Harmonien zu komponieren. Kannst du uns sagen, in welcher
Reihenfolge dies geschieht? Man hat den Eindruck, dass es Momente in
den Stücken gibt, wo die Harmonien so stark sind, dass man nicht weiß,
wie man das komponieren kann. Ist es ein schrittweises Hinzufügen oder
hast du sie von Anfang an im Kopf?
In der Tat muß man
es so verstehen, dass es kein monolithischer Block ist; es gibt keine
eindeutige Vorgehensweise. Ich sagte zu Vincent Zanetti, dass Medea für
uns ein wichtiger Moment war, eine Art Meilenstein, ein Übergang
sozusagen. Ich würde sagen vor Medea war alles orale Komposition; mit
Medea begann etwas, das vollständiger ist, das mehr geschrieben, aber
gleichzeitig nicht fixiert ist: Es gibt keinen besonderen Rhythmus, es
gibt keine Partitur. Dann nach Medea gibt es andere, vor allem
geschriebene Sachen, aber auch Dinge, die nach wie vor mündlich sind.
Also,
wie funktioniert das? Manches ist sehr schnell geschrieben - wenn ich
sage „geschrieben“, meine ich „gedacht“, und das sind Sachen, die sich
auf diese Weise wenig ändern. Oder es gibt andere, die leben, die sich
verändern. Dies war der Fall zum Beispiel bei Medea, wo es konstante
harmonische Anteile gibt. Zuerst, im Verlauf des Wegs scheinen uns die
Sachen unvollständig, unvollendet, es gibt Momente mit Lösungen, die
uns zu offensichtlich erscheinen, im Verhältnis zu dem, was man dabei
ist zu singen, nach und nach sind die Stücke zweifellos gelungener
geworden, komplexer, es gab sukzessive Beiträge.
Schließlich
gibt es auch eher praktische Sachen. Zum Beispiel ist Ceccè im
vergangenen Jahr in die Gruppe gekommen und mußte mit dem Repertoire
arbeiten; bei dem, was festgeschrieben ist, kein Problem, man gibt ihm
eine Partitur, er wird es lernen. Sich das traditionelle Repertoire und
die nicht allzu schwierigen Kompositionen zu merken, das geht, aber wie
ist es mit Medea? Das ist kompliziert, er muss sich etwas merken, das
nicht aufgeschrieben ist, man muß ihm einen Rahmen geben, in dem er
sich sehr schnell einfügen kann. Daher habe ich für Medea, praktisch
für das ganze Lied, eine siebte Stimme geschrieben.
Wenn ihr die ersten Versuche mit dem macht, was geschrieben ist, bringt jeder seine Ideen dazu ein, wie man es machen sollte?
Das
ist schwierig. In der Vergangenheit gab es Sachen, die man
weiterbringen, die man bereichern konnte. Oft kamen sie von Jean
Antonelli, weil er ein Gitarrist war, der einen Zugang zur Harmonik
hatte, aber ansonsten ist es schwierig für einen Sänger, der es nicht
hat - ich sage nicht, eine Kenntnis der Harmonie, denn ich habe keine -
aber eine Annäherung an die Harmonie, das ist schwierig ...
Es kann nichts Spontanes geben?
Das
ist noch komplizierter; das kann es geben, aber selten. Wenn man ein
Stück hat, das beginnt gefestigt zu werden, wie es anfänglich gedacht
ist, dann es ist schwierig, dort etwas hinzuzufügen, ohne ihm eine
andere Richtung zu geben.
Wir machen eine Kreation im Aghja mit
Jazzmusikern, man gibt ihnen Sachen, sie werden sicher Vorschläge
machen, die die Harmonien verändern, und es kann schwierig sein, wenn
man bei einer Arbeit ist, wo jeder sagen kann „ich schlage vor, wir
machen es so.“
Aber Achtung, ich spreche vom Schreiben. Wenn du
all die Melismen nimmst, die zum Beispiel Jean Luc macht; er ist es,
der es macht, es ist nicht aufgeschrieben. Sicher trägt jeder seinen
Teil dazu bei, zum Beispiel die Bass-Stimmen, sie werden irgendwann
sagen: „wir machen das Timbre natürlich so, man sagt: ja, das ist gut
so, wir machen das so, du hast Recht, man entwickelt dieses und jenes.“
Aber die Noten, die dort sind, die sind was sie sind.
Nun, das war am Anfang so, als ihr noch etwas in der Lehre mit euren Stimmen wart, aber jetzt kennst du sie alle...
Natürlich,
das ist so, und auch die Tatsache, dass wir zu einer komplexeren Musik
übergegangen sind, die mehr ausgearbeitet ist. Ich habe mich bei
einigen Sachen weiterentwickelt, und nicht jeder hat unbedingt das
gleiche Entwicklungstempo; das ist nicht vermessen, wenn ich das sage.
Es ist schwierig, wenn du mit etwas kommst, zu sagen: „ich sehe das
anders“, oder du bist dir bewusst, was vorgeschlagen wurde und kannst
tatsächlich Sachen finden, die funktionieren. Ich bin gut
vorangekommen, weil ich viel mit den Kompositionen von Bruno gearbeitet
habe. Es ist wahrscheinlich, dass die anderen, wenn sie diese Arbeit
gemacht hätten, es auch tun könnten. Ich habe bei der Arbeit mit Bruno
viel gelernt, ich war ein bisschen die Schnittstelle, und dadurch sind
mir gewisse Dinge sicherlich selbstverständlicher.
Du
sagst, dass du die Harmonien nicht kennst, aber wenn man ein Lied hört
wie Rex, wo es besonders in der zweiten Hälfte keine Melodie gibt, ist
das nicht einzig und allein auf Harmonien begründet?
Ja,
wenn ich sage, dass ich nichts von Harmonik verstehe, bedeutet das: die
Harmonielehre, die man am Konservatorium studiert, die Regeln für das
Komponieren...
Du schreibst sie nicht, du machst sie nach Gefühl?
Ich fühle sie, ich schreibe sie vermutlich mit orthographischen Harmoniefehlern!
Aber du fühlst sie zuerst? Ist das nicht umso besser? Läßt dir das nicht mehr Freiheit?
Ich
weiß nichts darüber. Was mich bei dieser Annäherung an die Dinge stört,
und ich hatte häufig Diskussionen mit Bruno oder mit Jean-Michel
Gianella darüber, sind die Leute, die das Schreiben beherrschen, und
wenn ich ihnen sage, dass ich eine Ausbildung machen möchte, sagen sie
„nein, tu das bloß nicht, bilde dich nicht aus.“ Sie haben vielleicht
Recht, vielleicht mache ich Dinge, die derzeit in der klassischen
Harmonik verboten sind und die ich nicht mehr tun würde, wenn ich eine
akademische Ausbildung hätte, das ist klar, aber gleichzeitig ist es
sehr frustrierend für mich, an einem bestimmten Zeitpunkt, Dinge zu tun
und nicht sicher zu sein, sie bewältigen zu können.
Du denkst, die Technik nicht zu kennen, schränkt das ein, was du tun könntest?
Ich weiß nicht, ob es mich einschränkt.
Ich
meinte „begrenzen“ im Sinne von „wagen“. Wenn du in einem
Kompositionsrahmen bist, zwingst du dich in den Normen zu bleiben, und
du musst etwas die Idee aufgeben, Dinge auszuprobieren. Es kann sein,
dass du Sachen versuchst, die du dir verbieten würdest, wenn du die
Regeln kennen würdest.
Kann sein, aber es ist
schwierig. Wenn wir als Gruppe zusammen sind, genießen wir es. Aber bei
unserer Entwicklung, werden wir zum Beispiel morgen mit Jazzmusikern
arbeiten.
Wir als Ganzes, haben kein Problem uns zu verständigen;
wir haben keine Ausbildung in Harmonik, wir sind einig beim Klang,
dabei, wie er sein soll, man muss mit kleinen Einstellungen operieren,
aber wir haben kein Verständigungsproblem zwischen uns.
Falls wir
morgen mit einem Streichquartett arbeiten, haben wir ein Problem, weil
der Typ aus dem Quartett uns sagen wird: „warten Sie, das hier verstehe
ich nicht“. Das, was geschrieben ist, ich will nicht sagen, dass es
nicht richtig ist, nicht möglich ist, aber es ist nicht ordnungsgemäß,
und manchmal ist es schlecht geschrieben, nicht gut formuliert. Aus
diesem Grund ist es für mich frustrierend.
Beispielsweise bin ich
seit wir mit Bruno arbeiten von klassischer Musik begeistert, ich habe
Stücke für Orchester bearbeitet. Chjarura von Si di mè ist eine
Orchester-Partitur, die ich geschrieben habe, aber ich habe sie niemand
gezeigt außer Bruno. Und Bruno hat mir gesagt, „wir nehmen das, kürzen
das, das wird ein großartiger Song“. Und wir haben es so gemacht. Aber
das ging nur, weil Bruno es sich angeschaut hat, es mitgenommen hat und
in Sofia hat aufnehmen lassen. Wenn ich morgen mit klassischen Musikern
diskutieren würde, hätte ich Angst, nicht glaubwürdig zu sein.
Du hast Angst, nicht legitimiert zu sein, obwohl du doch all das vorzeigen kannst, was du gemacht hast?
Das genügt nicht.
Du
hast viel gelernt durch das Zusammentreffen mit Menschen, die die
offizielle Lehrmeinung innehaben, aber auch sie könnten viel von dir
lernen.
Ja, das ist das Gute an einer Beziehung wie
mit Bruno. Ich sage nicht, dass er etwas von uns gelernt hat, aber er
sagt, er sieht die Dinge manchmal anders; wir haben ein wenig seine Art
Musik wahrzunehmen verändert. Es ist gut für die zwischenmenschliche
Beziehung, wenn man ein Vertrauensverhältnis zu den Musikern aufbaut,
aber wenn ich mich morgen vor ein Orchester von 50 Musikern stelle,
ertrage ich diesen Schock nicht.
Ich verstehe nicht, dass du so radikal in dieser Behauptung bist, weil du doch konkrete Sachen vorzeigen kannst...
So
funktioniert das nicht! Es gibt viele Festivals, die uns ins Programm
nehmen könnten und die es nicht tun, weil wir nicht klassisch sind,
weil wir keine Ausbildung darin haben. Dennoch bin ich überzeugt, dass
es Dinge gibt, die sich in ein Festival klassischer Musik einfügen
könnten. Nur hat ein ein solches Festival nichts anderes im Programm
als klassische Musik, Leute, die mit dieser Art Repertoire arbeiten...
Ihr öffnet völlig die Türen, die Wege zwischen den Genres...
Das
Problem ist, dass dies bei einem Teil des Publikums funktioniert, aber
nicht bei allen. Es gibt Leute, die auf der Suche nach etwas
Unveränderlichem sind, die nicht unbedingt unser Vorgehen verstehen. Es
ist mir passiert, dass ein Komponist aus Nizza gesagt hat, „ich
verstehe nicht, warum du fünf Stimmen für Medea geschrieben hast; mit
drei Stimmen sagt man genügend aus“.
Das sind keine Musiker, das sind Ayatollahs!
In den Orchestern, gibt es sie, die Ayatollahs!
Paul: Und auch auf Korsika!
JC: Im Übrigen stellt die Frage Bruno. Das ist ein fortwährendes Kräftemessen.
Das erinnert an die „Orchesterprobe“!
Deshalb
stellt uns das vor Probleme. Als wir „la Grammaire“ mit Musikern
gespielt haben, habe ich alle Instrumentalteile geschrieben - das hat
funktioniert, weil es Musiker sind, die wir kennen. Wenn
Schwierigkeiten auftreten, sagen sie „ Willst du uns verarschen? Wenn
du ein Es oder ein Dis schreibst, das ist das gleiche! », aber es gibt
Musiker, die sagen würden: „Warten Sie, dieses hier ist ein Problem;
was ist damit gemeint?“ Aber ich kann ihm nicht sagen, was ich tun
möchte, ich habe es so geschrieben, ich kann ihm nicht sagen:“ Weil ich
an dieser Stelle des Stückes einen Akkord gibt, diese Basslinie,
rechtfertigt das diese Note“. Um noch einmal auf das zurückzukommen,
was du über die Harmonie gesagt hast, ich komponiere nur für uns und
für Leute, die uns nahe stehen, ansonsten würde ich es nicht wagen,
eine Komposition für einen Chor zu machen.
Wie erfolgte der Schritt in die Dissonanz?
Das
hängt mit vielem zusammen; was ich höre, was mir gefällt, was ich von
Brunos Sachen sehen konnte, was ich an verschiedenen Orten gehört habe.
Es kann sein, wenn du Faiz Ali Faiz oder die Sinfonien von Mahler
hörst, da gibt es Sachen, die, ich will nicht sagen entnommen sind,
aber die, scheint mir, an sehr unterschiedlichen Orten, aus sehr
unterschiedlichen Gründen, in verschiedenen Gegenden, etc. zu hören
sind.
Um das Thema Schreiben zu beenden: Du hast zahlreiche Texte verfasst; denkst du nicht daran, sie zu veröffentlichen?
Es
ist lange her, dass ich geschrieben habe, seit 1983/84, das sind mehr
als 20 Jahre, und ich habe nie etwas veröffentlicht. Jetzt empfinde ich
das Bedürfnis dazu, nicht nur um die Texte zu veröffentlichen, da ich
sie ja nutze, sie singe, sondern weil es irgendwann nötig ist, glaube
ich, sich ihrer zu entledigen, um zu etwas anderem überzugehen. Es
stellt sich uns übrigens das gleiche Problem auf der musikalischen
Ebene: wir haben ein Repertoire, das an seine Grenzen stößt, wir haben
nicht die Zeit, es aufzunehmen, und wir produzieren nur weiter, weil
wir Anfragen haben. La Grammaire habe ich gemacht, weil Orlando mich
gebeten hat. Wir arbeiten häufig in Eile. Das Requiem… ich wäre nie auf
die Idee gekommen zu sagen: „Ich beginne jetzt ein Requiem“. Ich habe
angefangen, Sachen zu schreiben, aber niemals mit der Idee, ein Requiem
zu machen.
Zum Beispiel die Prediger, die hattest du vorher geschrieben, nicht?
Der
Prediger und Meditate wurden vorher geschrieben für
Passionsaufführungen in Calvi, und ich habe sie für das Requiem wieder
verwendet.
Und auch Figliolu d'ella, kann das sein?
Und Figliolu d'ella, ja, das nur für zwei Stimmen geschrieben war für die Passion in Calvi.
Ja, und für Frauenstimmen.
Und
als wir mit der Arbeit an dem Requiem begannen, habe ich Figliolu
d'ella wieder aufgegriffen, weil das Thema, das Lied mir interessant
erschien, es weiter zu entwickeln, und vor allem, was das Lied aussagt:
das Thema „Figliolu d'ella, sì figliolu di meiu“ schien mir wichtig,
erschien mir das beste zu sein, das man sagt, wenn jemand weggeht. Es
gab also diese drei aus früheren Sachen entnommenen Lieder. Aber um auf
das zurückzukommen, was ich sagte, wenn nicht der Auftrag von
Jean-Pierre Le Pavec gewesen wäre, hätte es niemals ein Requiem
gegeben. Und hätte es keine Anfrage von Jean-Yves Lazennec gegeben,
würde es Medea nicht geben.
Aber es ist sehr
frustrierend für uns, denn es gibt Juwele, die erscheinen, und doch
gibt es welche, die überhaupt nicht herauskommen!
Es gibt einige, die nicht herauskommen werden!
Aber, die man einmal gehört hat, möchte man wieder hören können!
Moment,
eine Frage, die die ich eigentlich später stellen wollte: im Finale, in
dem ihr gesungen habt, gab es ein georgisches Lied...
Ja, Allilo.
Ein Auszug aus dem Requiem?
Nein, aus Marco Polo. Es gab zwei Auszüge aus Marco Polo.
Habt ihr das erste schon in einem Konzert gesungen?
Ja, in Nanterre, da haben wir es verpatzt!
Aber dort war es nicht verpatzt! Übrigens, wer hätte Marco Polo an Stelle von Guillaume Depardieu gespielt?
Wenn es in Nizza stattgefundet hatte ? Daniel Mesguich.
Zum Schluß eine Zusatzfrage zu den Instrumenten, die ihr aufgegeben habt; ist das endgültig?
JC:
Wir hatten diese Diskussion zur Frage der Instrumente bei den
Rencontres. Mein Eindruck ist, dass Korsika, in jedem Fall die
kulturelle korsische Bewegung seit Anfang der 70er Jahre, ein großes
Problem mit Instrumenten hat. Das scheint mir offensichtlich. Es gab
eine sehr starke mündliche Tradition, die Stimmen, eine Kenntnis der
Stimmen, eine vokale Praxis, aber mit Abstand betrachtet, sehe ich
nicht, welcher Gruppe seit Anfang der 70er Jahre etwas auf
instrumentalem Gebiet gelungen ist. Ich behaupte kategorisch,
erfolgreiche Leute sind häufig diejenigen, die mit der
Identitätsbewegung gebrochen haben, sie sind in einer anderen Sparte.
Es gibt hervorragende Musiker auf Korsika, aber man findet sie nicht in
den Gruppen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zuerst Canta u Populu
Corsu einen Stil vorgegeben hat. Es ist derjenige von Jean-Paul
Poletti, die Arpeggio-Gitarre, und jeder ist ihm auf dem Fuße gefolgt,
auch wir, und das gibt kein instrumentales Gerüst, keinen technisch
zusammenhängenden Gesang. Bei den Rencontres sprach ich mit Rassegna
darüber; technisch ist man in der Lage, kein Problem. Ich sah Julia
Sarr und den Gitarristen, man kann sie mögen oder nicht, aber die
Gitarre hatte eine Bedeutung; wenn du korsische Gruppen hörst, gibt es
eine Art instrumentalen Brei.
Man hat den Eindruck, dass die Instrumente, besonders die Gitarre, ständig wieder in das gleiche Schema zurückfallen...
Natürlich,
darin stimmen wir überein, aber das ist so, weil erstens vielleicht die
Verbindung mit den polyphonen Stimmen nicht so offenkundig ist, und
zweitens, weil man immer für das Instrument getan hat, was man für die
Stimme tun würde, ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass es eine
Tradition für die Stimmen gab, nicht aber für die Instrumente, und dass
man keine Instrumentalisten hat. Die wenigen Instrumentalisten sind
Menschen, die an einem bestimmten Zeitpunkt angefangen haben, Gitarre
zu spielen; man begleitet sich, aber das ist meiner Meinung nach
unzureichend.
Von allen Leuten, die spielen, gibt es für mich - es
ist vielleicht übertrieben, was ich sage - einen einzigen, der eine
reelle Dimension im Hinblick auf die Begleitung hat, und das ist Jérôme
Ciosi. Er ist ein wahrer Gitarrist; er hat eine klassische Ausbildung
und weiß, wovon er spricht.
Bei den anderen gibt es viele
unbeholfene, schlecht konzipierte Sachen. Es gibt einige Dinge, die ich
durch den Gesang verstanden habe. Zum Beispiel die arpeggierte Gitarre
systematisch als Begleitung; du reduzierst die Einheit auf ihren
kleinsten Wert! An einem bestimmten Zeitpunkt (es singt die Partie der
Gitarre) fixiert das die Sachen, zunächst gibt es eine
Orientierungshilfe ...
Um noch einmal auf deine Frage
zurückzukommen, irgendwann wurde uns bewusst, dass wir keine
Instrumentalisten waren, uns in diesem Bereich nicht wohl fühlten,
selbst wenn wir Sachen machen konnten, die von Interesse waren - ich
sagte es zu Bruno Allary von Rassegna -, der mir erzählte "ich finde
eure Platte Una Tarra ci Hè großartig, ich höre sie..."
Das ist auch unsere Meinung!
Zweifellos,
aber wenn ich die instrumentalen Parts erneut höre, sage ich mir, dass
es das nicht ist. Gut, der Gesang auch nicht (lacht). Im Nachhinein ist
man nie zufrieden, mit dem, was man gemacht hat.
Es ist Teil einer Entwicklung.
Wir
werden sicherlich etwas mit Instrumentierung machen, aber mit Musikern.
Wir lehnen nur eine Instrumentierung der traditionellen Art ab: wenn
man uns morgen Musiker geben würde, wie die syrischen vor 3 oder 4
Jahren, kein Problem, man kann mit ihnen etwas machen, auch in sehr
unterschiedlichen Stilen, aber das mit den vorhandenen Mitteln zu
bewerkstelligen, mit mir als Gitarrist, das ist nicht ausreichend;
selbst wenn ich ein wenig klassische Gitarre spiele, bin ich kein
Instrumentalist. Und es fehlte auch die Energie, um sich auf den Gesang
zu konzentrieren, wenn man im Instrumentalen nicht zu Hause ist.
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Erstellung der Website am 14. Februar, 2006